Und wieder springen wir in die Zeitmaschine. Diese Kolumne stammt aus dem Jahr 2001, aber das Thema ist zeitlos …
Ich habe bereits mehrfach gewarnt, dass Rollenspiel den Blick auf die reale Welt verzerren kann. Heute möchte ich das an einem Thema festmachen, das alle interessieren dürfte: Sex!
Werfen wir einen Blick in eine „normale“ Rollenspielgruppe, bestehend aus einem halben Dutzend pubertierender Jugendlicher bis 25 Jahre. Was für ein Bild von körperlicher Liebe wird dort vermittelt? Wer schwache Nerven hat oder einen Funken emanzipatorischer Gedanken, möge sich jetzt schon mal erschrocken an die Stirn fassen.
Der darbende Reisende kann in den meisten Runden sicher sein, dass jede Schenke ein bis zwei junge, hübsche Mägde bereit hält, die in der Lage sind, sechs Bestellungen auf einmal auf dem wogenden Busen zu servieren. Und natürlich sind die jungen Damen mehr als willig, sich mit den Helden in die Bettkiste zu begeben und dort dann diverse Dinge in verschiedenen Körperhaltungen zu tun, die am Tisch mit der Verkündung: „Darüber wollen wir einen romantischen Vorhang legen“ umschrieben werden. Früher dachte ich, dass wäre der Versuch, den Akt gegenseitiger Offenbarung nicht mit pornoartigen Beschreibungen zu besudeln, aber heute weiß ich: Die Jungs wissen einfach nicht, wie es geht!
Aber zurück zu unserem Problem: Unser junger Held hat nun also Woche für Woche virtuell die Bedienungen ganzer Kontinente gepoppt und wenn sein Spielleiter gnädig war, hat er ihn mit Konstitutions- oder Schwangerschaftsproben verschont. Jetzt erwacht aber in seinem jugendlichen, cholesteringeschädigten Körper die Lust, das Ganze auch umzusetzen. Also begibt er sich in die nächste Kneipe und schon trifft es ihn hart. Die Bedienung ist weder jung, noch hübsch, und auf ihren Brüsten könnte man nur dann Essen servieren, wenn man es in der Senkrechten festtackert. Aber egal, unser Freund vertraut auf seinen Charme und sein gutes Aussehen (es ist wie mit den Bösen, die nicht wissen, dass sie böse sind …) und bringt den unfehlbaren Aufreißersatz, mit dem er noch jede Magd ins Bett bekommen hat: „Hallo schöne Frau! Ich bin ein einsamer Reisender und mich dürstet nach euren zwei großen Krügen Milch!“
„Zwei Milsch, kommts’fort“ schallt es reibeisen-lieblich zurück.
Verwirrung! Enttäuschung! Was geschieht? Das war nicht geplant! Die Bedienung bringt zwei Milch und unser Held setzt nach: „Oh holdes Fräulein, ich trage ein gar prächtiges Schwert unter dem Tische, wollt ihr es bestaunen?“
„Wat?“
„Äh, eure Diebe sind wie Eltern, sie haben die Augen gestohlen und in eure Sterne gesetzt?“
„Hä?“
„Ich geb’ euch auch eine Goldmünze?“
Und damit sind wir bei der zweiten großen Falle des Rollenspiels: Prostitution. Wohin der Charakter sein Auge wendet, er findet Freudenmädchen, die diesen Namen zurecht tragen. Zum einen sind sie eine Freude für das Auge und zum anderen haben sie Freude an ihrem Beruf. Es sind keine finanziellen Nöte, keine Arbeitslosigkeit, die zur Prostitution treiben, sondern der Drang, mit möglichst vielen Männern zu schlafen – meist sind die Huren denn auch wohlgebildete Frauen von ehemals adeligem Stand, die einem ordentlichen Liebhaber (und welcher Held wäre das nicht?) auch gerne mal die Zeche erlassen, weil er sie so gut … lieb gehabt hat.
Wieder in der Realität: Die Enttäuschung ist verwunden, aber es bleibt die Entschlossenheit in Herz und Hose. Also versucht es unser junger Mann bei einem einschlägigen Freudenhaus. Gehen wir davon aus, er findet eine Dame – vermutlich aus dem Ostblock – die auf seine Wünsche eingeht. Nach kläglich versägtem Akt vertraut er nun natürlich darauf – immerhin hat er seinen letzten 50er für das neue Shadowrun-Regelwerk ausgegeben – dass die gute Frau ihm die Zahlung erlässt.
Erst nach einer innigen Begegnung mit den Bikerboots des goldkettenbehangenen Freund der Dame sieht er ein, dass dem wohl doch nicht so ist.
Also: Wenn ihr nicht Nachts in Unterhosen über den Kiez torkeln wollt, so schwört ab vom Sex im Rollenspiel
PS: Man sollte meinen, wenn Damen an der Spielrunde teilnehmen, sollte sich das Verhalten ändern– weit gefehlt. Flugs werden Knechte und Freudenmänner eingeführt und weiter geht die wilde … Rollenspielerei.