Schreibtipp – Dialoge 3: Vier Methoden, um Figuren in einem Dialog wiedererkennbar zu machen

Im zweiten Teil meiner Schreibtipps sprach ich davon, dass jede Figur in einem Dialog eine eigene Stimme haben sollte. Damit meinte ich natürlich nicht, dass ihr Dinge schreiben sollt wie:

„Guten Tag“, sagte er mit hoher Stimme.

„Hallo“, antwortete sie basstief.

Ziel der eigenen Stimme soll sein, dass ihr euch im Idealfall das „sagte er/sagte sie“ sparen könnt, weil der Leser die Figuren auch im nackten Dialog an der Art, wie sie sprechen, erkennen kann. Um das zu erreichen, kann man unter anderem auf die folgenden Methoden zurückgreifen, die auch kombiniert werden können.

1) Satzlänge

Einen sehr offensichtlichen Unterschied zwischen den Figuren kann man über ihre Satzlänge definieren.

„Ich bin in die Garage gegangen. Da stand mein Auto. Ich bin eingestiegen und habe es angemacht. Plötzlich hat der Motor so komisch gerattert.“

„Ich bin in die Garage gegangen, wo mein Auto stand, in das ich eingestiegen bin. Als ich es angemacht habe, hat der Motor so komisch gerattert.“

Dieselbe Aussage, liest sich aber deutlich unterschiedlich, dabei benutzen beide Sprecher den gleichen Wortschatz (siehe unten). In der allgemeinen Wahrnehmung stehen kurze Sätze dabei meist für ein geringeres Bildungsniveau des Sprechers. Für kleinere Kinder passt diese Satzlänge ebenfalls.

2) Wortschatz/Formulierungen

Die Größe und Beschaffenheit des Wortschatzes einer Figur kann ebenfalls hervorragend dazu dienen, sie zu charakterisieren und ihre Stimme eindeutig zu machen. Wie viele Fremdwörter nutzt sie? Wie umständlich drückt sie etwas aus? Benutzt sie den Genitiv? Die richtigen Artikel?

„Ich hätte gerne noch einen Kaffee, wenn es nichts ausmacht. Mit Sahne, bitte. Danke.“

„Wenn es conveniert, wäre ich über die Möglichkeit sehr erfreut, noch einen Kaffee zu genießen. Mit Sahne, bitte. Merci.“

Auch der Grad der Wortschatzbeherrschung kann interessant werden. Wenn eine Figur viele Fremdwörter benutzt, aber immer im falschen Zusammenhang, charakterisiert sie das sehr stark. Ich habe der Figur Simmons aus dem Roman Shelley beispielsweise die Neigung angedichtet, Redewendungen zu massakrieren. „Quietsch-Popo“ statt „Quid pro quo.“ Damit wirkt die Figur ungebildet, aber durch das, was sie sagt, nicht dumm (und es ist für das eine oder andere amüsante Missverständnis gut).

3) Sprachliche Ticks

Wenn man einmal bei sich und bei anderen darauf achtet, fällt schnell auf, dass  Menschen Lieblingswörter oder Fomulierungen haben. Ein Bekannter von mir setzt, wenn er nervös oder verärgert ist, nach jeden Satz „Sag ich mal“, manchmal auch mitten in den Satz:

„Wenn ich in der Disko bin, sag ich mal, und mich macht einer dumm an, dann guck ich einfach böse, sag ich mal. Dann haut der aber ab, sag ich mal.“

Andere beginnen oder beenden Sätze mit einem unmotivierten „Ja“ oder „Nein“,  streuen Füllwörter (jedenfalls, nämlich, Alter, isch schwöre) ein oder relativieren alles (eigentlich, möglicherweise). All das ist gut nutzbar, aber vorsicht: Wenn man es übertreibt, kann es den Leser schnell nerven. Das gilt auch für Sprachfehler (Kirsche/Kirche, Fich/Fisch, Drottel/Trottel, Lispeln, Stottern).

4) Akzente/Dialekte

In Audio- und Videoformaten sind Akzente und Dialekte ein wunderbares Stilmittel. Wenn ich auf der Bühne echte oder erfundene Anekdoten von meiner Mutter vortrage, dann bekommt sie immer einen fetten rheinischen Dialekt. Den kann ich gut und er passt zu dem, was ich meiner Mutter anzudichten pflege. Dabei spricht meine Mutter in Wirklichkeit ein sehr gutes Hochdeutsch und ist zudem aus dem Bergischen.

Schriftlich sind Akzente und Dialekte oft schwierig, weil der Leser wissen muss, wie sie klingen, um sie „im Ohr“ zu haben. Zudem neigt man schnell dazu, sie lautmalerisch wiederzugeben, was das Verständnis der Aussage stören kann:

„Hörens, Puppekopp, isch klatsch dä gleesch änn“

Der mit dem Rheinischen vertraute versteht hier gleich, dass die Androhung einer Ohrfeige gemeint ist. Der gemeine Hamburger wird sich damit eher schwer tun.Zudem sollte man sichergehen, dass man die Mundart auch wirklich beherrscht. Ich habe beispielsweise grad keine Ahnung, ob der oben geformte rheinische Satz wirklich so gesagt würde. Wenn man hier akkurat sein möchte, sollte man wie bei Fremdsprachen jemanden fragen, der sich damit auskennt.

Das rechte Maß ist also auch hier entscheidend. Meist läuft es bei der Abbildung der Dialekte und Akzente weitgehend auf den Wortschatz hinaus. Jemand, der „Kölsch“ sagt, ist ebenso eindeutig zuordnenbar wie „Waterkant“ oder „Semmel“.

Grundsätzliches:

Zum einen muss die Art zu sprechen natürlich zur Figur passen. Ein Hochschulprofessor, der seine Studenten in Asisprech fertig macht, passt nicht so hundertprozentig. Kann man natürlich trotzdem machen, aber dann hat man einen Bruch in der Figur, der sie komisch erscheinen lässt. Wenn das euer Ziel ist, nichts wie ran an die Gossenkiste. Wenn der Professor aber glaubhaft rüberkommen soll, ist das eher nix.

Zum zweiten muss man gerade bei Sprachbesonderheiten vorsichtig sein, es nicht zu übertreiben. Wenn alle irgendwie besonders oder dialektgefärbt reden, erinnert euer Dialog dann schlussendlich eher an einen Witz: „Ein Bayer, ein Sachse und ein Stotterer kommen in eine Bar.“

Weniger ist hier also oft mehr. Meine Daumenregel ist: So wenig wie möglich, aber genug, damit der Leser die Figuren zuordnen kann.

Im nächsten Schreibtipp verrate ich dann, wie man sicherstellt, dass ein Dialog natürlich klingt.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Diese und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

3 Replies to “Schreibtipp – Dialoge 3: Vier Methoden, um Figuren in einem Dialog wiedererkennbar zu machen”

  1. Pingback: André Wiesler » Schreibtipp – Dialoge 4: Von der Schwierigkeit, einen Dialog echt klingen zu lassen

  2. Nichts, was man schon woanders gelesen hat.

    Zumn Beispiel 1: So unterschiedlich liest es sich nicht. Ich finde beide Passagen auch nicht wirklich flüssig und auch ziemlich umständlich. Man nutzt nicht so viele Worte.
    So klänge es für mich besser. „Ich bin zu meinem Auto in der Garage gegangen. Als ich es anstellen und losfahren wollte, hat es komisch gerattert.“ Wahrscheinlich ist man noch kürzer: „Als ich heute aufs Gaspedal drückte, um mit meinem Auto loszufahren, hat der Motor so komische Geräusche abgegeben.“ Wichtig ist ja nicht, dass man zuerst zum Auto in die Garage gegangen ist, daher lässt man es weg. Im Dialog ist man sparsam mit jeder Information.

    Manches sollte man doch hinterfragen. Ich kann mir durchaus einen eher kumpelhaften Ingenieurprofessor vorstellen, der seine Studenten salopper anspricht und vielleicht auch mal in eine etwas abgemilderte Gossensprache rutscht. Bitte nicht in die Klischeefalle tappen!

    Und was ich nicht leiden kann, wenn man ungebildeten Menschen verdrehte Sprichwörter in den Mund legt. Wenn sie nicht gerade lateinisch sind, kennen sie sich meist sehr gut darin aus. Vielleicht spielen sie nicht so sehr mit ihnen, versuchen, es besonders korrekt zu sagen und korrigieren sie mal jemand, der damit etwas herumspielt.