Vielleicht liegt es daran, dass ich meinen Vater ebenfalls an den Krebs verloren habe; vielleicht auch daran, dass ich die Autorin Root Leeb persönlich kennen gelernt habe und als witzige, einsichtige und durchweg sympathische Person schätze; vielleicht hege ich auch Gefühle für das Buch, weil ich es schon so lange kenne; wahrscheinlicher jedoch scheint mir, dass meine Begeisterung für ihr neues Buch vorrangig darin begründet liegt, dass es einfach ein verdammt gutes Buch ist.
Hero – Impressionen einer Familie wird dem Klappentext gerecht, wächst aber für mich weit über diesen hinaus:
Hero, ein Vater, der versagt hat. Fünf erwachsene Kinder, die keinerlei Gefühl der Zusammengehörigkeit verbindet. Und ein Hochzeitsfest auf Mallorca, bei dem Nele, die »unsichtbare« Tochter, fehlt. Doch als Hero an Krebs erkrankt, ist es genau diese eine, die sieht, was zu tun ist. Sie akzeptiert den mitunter skurrilen Umgang ihres Vaters mit dem Sterben, konfrontiert ihn mit ihrer Liebe zu dem Nigerianer Ken und gewinnt durch ihre Entschlossenheit nach und nach den Respekt Heros. Kurz vor seiner letzten Einweisung ins Krankenhaus überreicht er ihr einen geheimnisvollen Karton. Erst nach seinem Tod soll Nele den Inhalt an Mutter und Geschwister verteilen …
Ein Roman vom Leben und vom Abschiednehmen: schnörkellos, ehrlich, bisweilen komisch. Und zugleich auf faszinierende Weise zart und sensibel.
Root schafft es, ein schweres und schwerwiegendes Thema offen und kompromisslos anzugehen, die Samthandschuhe in die Schublade zu verbannen, die bei einer Geschichte übers Sterben auch tunlichst nichts zu suchen haben. Die lebensverkürzende Krankheit ist hier weder der große Bösewicht, noch ein netter, aber nichtssagender Plottwist im Stile schlechten Hollywoodkinos. Nicht die Tränendrüse ist Ziel des Buches, sondern Hirn und aufrichtiges Herz sind es. Das Buch ist emotional, ohne gefühlsduselig zu werden; voller intelligenter Beobachtungen, ohne bevormundend zu sein. Der Leser wird tief und ehrlich mitgenommen in die verkorksten Familienstrukturen und in das Leid, das Krebs bedeuten kann. Dabei ist das Buch aber unterm Strich eine Geschichte über das Leben.
All das erreicht die Autorin nicht zuletzt über einen originellen und eingängigen Stil, der lyrische Verschwurbelungen ebenso meidet wie allzu plattes Anbiedern an die Gemeinsprache. Es ist ein Buch, mit dem man sich näher befassen sollte, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen; das für den Nachttisch nicht wirklich ungeeignet, aber meiner Meinung nach zu schade ist. Keine leichte Lektüre, aber flüssig und spannend genug, um zu fließen.
Oder kurz gesagt: Ich mag es, also lest es! 😉