Mein guter Freund Martin Engelhardt hat seiner Tochter Elisabeth ein besonderes Geschenk gemacht, an dem ich ein bisschen teilhaben konnte. Aber am besten lasse ich es ihn selbst erzählen:
Was haben eine Steampunk Anthologie und ein Mädchen mit Rett-Syndrom gemeinsam?
Dies bedarf einer kleinen Geschichte:
Mein Name ist Martin Engelhardt, ich bin Vater einer 12-jährigen Tochter mit dem schönen Namen Elisabeth, die am Rett-Syndrom erkrankt ist.
Was ist das Rett-Syndrom?
Das Rett-Syndrom ist eine genetisch verursachte Erkrankung mit der Folge einer schweren geistigen und körperlichen Behinderung, die fast ausschließlich Mädchen betrifft.
Im September 2013 traf ich beiden Autoren Judith und Christian Vogt auf einem Pen-und-Paper-Rollenspiel Wochenende in meiner Heimatstadt Wuppertal.
Die Sprache kam auf die geplante Anthologie der beiden zum Thema Steampunk, die Geschichten darin sollten in der Welt der „Zerbrochenen Puppe“ spielen, eines Romans, für den Judith und Christian Vogt im Oktober dann den Deutschen Phantastik Preis 2013 gewannen.
An der Stelle auch nochmal meinen Glückwunsch!
Leider sind Anthologien in Deutschland so gut nicht über normale Verlagsarbeit zu finanzieren, zu groß ist den Verlagen das Risiko, dass eine Kurzgeschichtensammlung kein wirtschaftlicher Erfolg wird.
Also hatten sich die beiden entschlossen, über StartNext, eine deutsche Crowdfunding-Plattform, die Finanzierung sicherzustellen.
Wer diese Art von Finanzierung nicht kennt: Hier kann man Projekten, die dort vorgestellt werden, Geld spenden und bekommt dafür ein Dankeschön. Bei Computerhardware kann dies z. B. die neu zu entwickelnde Hardware sein. Bei Kunst und Büchern ist das natürlich immer ein wenig schwieriger … das Buch kann ich mir ja auch einfach kaufen, falls es publiziert wird, warum sollte man also spenden?
Also hatten die beiden ein paar tolle Einfälle, um potentielle „Investoren“ anzuziehen. Neben dem eigentlichen Buch konnte man u. a. eine Buchlesung der Autoren gegen eine Spende bekommen, ein tolles Poster des Buchcovers usw.
Eines der Dankeschöns für eine Spende war: „Dein Name in einer der Kurzgeschichten“. Hörte sich toll an, aber warum sollte mein Name in einem Buch auftauchen? So groß ist mein Ego nicht. Auf der anderen Seite wollte ich das Projekt gerne unterstützen.
Bis mir ein Gedanke kam: „Warum verschenke ich das nicht einfach an meine Tochter Elisabeth?“
Der Name Elisabeth passt ja auch sehr gut in einen viktorianisch angehauchten Buchbackground, und es wäre ein tolles Geschenk für Weihnachten.
An der Stelle muss man wissen, dass Geschenke für ein schwerst mehrfachbehindertes Kind zu finden sehr, sehr schwer sein kann.
Es muss etwas sein, was zu ihr passt, was ihr Spaß macht, wovon sie etwas hat … und dann stehen Sie als Eltern jeden Geburtstag und Weihnachten da und machen sich Gedanken, bis der Kopf raucht.
Es soll ja auch nicht nur etwas sein, was das eigene Gewissen beruhigt.
Elisabeth liebt es, Geschichten zu hören, vorgelesen zu bekommen und Hörbüchern zu lauschen. War bei den Eltern, die beides gelernte Buchhändler sind, auch nicht anders zu erwarten.
Also war das doch mal ein tolles Geschenk, Elisabeth würde ihren eigenen Namen in einer spannenden Geschichte hören und sicher in ihrer Schulgruppe auch stolz darüber berichten, und der Lehrer in der Schule kann dann die Geschichte auch vorlesen.
Also gesagt, getan. Die Spende zum Eis-und-Dampf-Projekt online getätigt, und da die Herausgeber ja noch vor Ort waren, denen direkt den Namen meiner Tochter mitgeteilt.
Auf die Frage: Warum für meine Tochter, erzählte ich von den Problemen, passende Geschenke zu finden und was für eine Behinderung Elisabeth hat.
Ein paar Tage nach dem Treffen kamen die Herausgeben auf mich zu, es hätten sich verschieden Autoren gefunden, die Elisabeth gerne in Ihre Geschichte aufnehmen könnten, als Name, aber auch gerne als „Sidekick“ eines der Helden (wie Robin bei Batman) oder eben in Judiths eigener Kurzgeschichte, die eine der wichtigen Begebenheiten aus Ihrem Roman „Die zerbrochenen Puppe“ näher beleuchtet.
Judith fragte mich, ob Elisabeth denn mit oder ohne Ihre Behinderung auftauchen sollte, und nach einem Gespräch mit meiner Frau entschlossen wir uns, Elisabeth so erscheinen zu lassen, wie sie ist. Ein schwerstbehindertes Kind, das aber trotz allem glücklich ist, lacht und einen tollen Humor hat, der unser Leben ungeheuer bereichert. Judith solle sie sehr gerne in ihre Geschichte „Der Puppenmacher” aufnehmen.
Das Ergebnis können Sie nun in gedruckter Fassung und als E-Book kaufen.
Die Finanzierung durch das Crowdfunding bei StartNext hat also wunderbar funktioniert.
Natürlich können Sie es online kaufen, aber auch bei dem Buchhändler um die Ecke. Gehen Sie ruhig mal wieder zu ihm hin und lassen Sie sich beraten. So unter echten Menschen klappt das viel besser als nur online. Nehmen Sie diese Buch mit, aber vielleicht auch noch das eine oder andere von den Autoren dieser Anthologie.
Lesen Sie, was all diese Helden in den Geschichten erleben, welche tolle Welt sich dort vor Ihrem geistigen Auge erstreckt und tauchen Sie darin ein.
Nicht nur Fans von Steampunk und Jules Verne werden ihre Freude haben.
Was Sie auch lesen werden, ist die weltweit erste publizierte Geschichte, in der ein Rett-Mädchen entscheidend in die Geschichte einer Welt eingreift und in der man erfährt, warum eine Piratin dem Mädchen extrem dankbar sein wird …
Elisabeth hat ihrer Geschichte (und inzwischen auch den anderen) aufmerksam gelauscht, und als ihr klar wurde, dass sie dort eine Rolle spielt, hat sie erst mit ihren Augen gelacht und dann ganz doll gegrinst. Sie war richtig stolz darauf, dabei zu sein und ihren Namen sowie die Beschreibung von sich selber in einer der Geschichten zu hören.
Lesen Sie diese Anthologie, lesen Sie den Roman, der den Grundstein für diese Steampunk-Welt legte: „Die zerbrochene Puppe“, lesen Sie aber auch die Werke der anderen Autoren. Wir brauchen eine deutsche Autorenszene, die aus mehr als den Top-10-Bestseller-Listen besteht, die immer nur den gleichen Mainstream bearbeiten. Ohne die Herausgeber und Autoren hätte meine Tochter nie so ein tolles Geschenk bekommen, und Sie wüssten nun gar nicht, was das Rett-Syndrom ist und wie Crowdfunding funktioniert.
Mehr Infos zum Rett-Syndrom finden Sie auf www.rett.de.
Unser Dank an alle Autoren von Eis und Dampf, an den Verlag und besonders an die beiden Herausgeben Judith und Christian Vogt.
Ihr habt ein Mädchen sehr glücklich und stolz gemacht!
Ihr
Martin Engelhardt
Im Dezember 2013