Schreibtipp – Szenenaufbau 5: Wie man sich wendet und dreht …

Im letzten Schreibtipp ging es darum, dass jede Szene eine Wendung haben sollte. Es muss sich also während der Szene etwas ändern, damit die Szene interessant wird und eine Rechtfertigung hat, in der Geschichte oder in dem Roman zu sein.

Was aber muss sich ändern? Vorweg: Nicht jede Szene muss eine gigantische, alles bestimmende Änderung beinhalten. Es geht nicht darum, einen Zickzackkurs abzustecken, bei dem z.B. die Liebe des Protagonist in jeder Szene von der einen zur anderen Frau schwankt. Manche Entwicklungen können sich auch über mehrere Szenen oder den ganzen Roman erstrecken. Wichtig ist dabei nur, dass jede Szene eine erkennbare Änderung mit sich bringt.

Was kann sich aber nun wenden?

Einstellungen/Gefühle der Figur(en)

Wenn Karl am Anfang der Szene der Meinung ist, Rita ist eine blöde Kuh und am Ende erkennt, dass sie gar nicht so übel ist; oder wenn er anfangs depressiv ist und nachher ein wenig Hoffnung schöpft; oder er vorhatte, seinen Job zu kündigen und es dann doch nicht tut.

Handlung/Ereignisse/Umstände

Wenn alles danach aussieht, dass Karl beim Vorstellungsgespräch so richtig wird punkten können, und sich dann in der U-Bahn Kaffee übers Hemd kippt; oder wenn er seiner Jugendliebe gesteht, dass er sie damals chancenlos geliebt hat, und sie ihn daraufhin verführt; oder gnadenlos abblitzen lässt; oder wenn der Drucker kaputtgeht; oder es plötzlich anfängt zu regnen.

Stimmung der Erzählung

Wenn bei dem vermeintlich harmlosen alten Haus die Beschreibungen immer düsterer werden und Unheil androhen; oder der bisher amüsante Tonfall des Erzählers immer zynischer wird.

Man hat also eine Menge Möglichkeiten, eine Szene zu „drehen“ und oft reichen kleine Schritte. Aber wenn in einer Szene nichts passiert, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Eine Wendung einbauen oder die Szene gnadenlos streichen.

Eine Wendung, die routinierte Leser meiner Schreibtipps nicht überrascht, ist der erneute Hinweis auf die bisherigen Schreibtipps. Und auch die Erinnerung daran, dass ihr nur noch eine gute Woche Zeit habt, euch für mein Wochenendseminar „Wie schreibe ich ein Buch?“ anzumelden, würde keine ganze Szene tragen. Ist aber trotzdem wahr.

Schreibtipp – Szenenaufbau 4: Wende eine Wendung hass, is gut

Was muss eine Szene haben, damit sie den Leser packt? Neben den offensichtlichen Dingen wie spannende, glaubhafte Figuren, gute Dialoge (wir sprechen in vorhergehenden Schreibtipps darüber) und eine spannende Handlung, muss eine Szene vor allem förderlich für die Geschichte sein. Sie muss die Geschichte also weiterbringen und dafür Sorgen, dass sich Dinge ändern. Und genau da versteht man unter einer sogenannten „Wendung“. Wenn eine Szene keine Wendung hat, ist sie langweilig und – fast noch schlimmer – überflüssig.

„Was meint er damit nun wieder?“, höre ich euch fragen. Ich sehe, es muss ein Beispiel her.

Stellt euch folgende Szene vor: Ein Ehepaar kommt zum sonntäglichen Frühstück zusammen. Alle sind schlecht drauf, maulen sich ein bisschen an, frühstücken vor sich hin, räumen ab und gehen wieder auseinander, immer noch schlecht gelaunt. Klingt spannend, was? Genau, eben nicht. Weil sich in der Szene, selbst wenn ein Frühstück „passiert“, nichts verändert. Es fehlt die Wendung.

Die gleiche Szene wäre gleich viel spannender (und müsste vor allem nicht von der Lektorin ersatzlos getrichen werden), wenn z.B. einer so über das allgemeine Gegrummel lachen muss, dass sich die Laune bessert. Oder sich die Leute so richtig an die Kehle gehen. Oder auch ein äußerer Faktor (Postbote mit verfänglichem Liebesbrief, LKW mitten im Wohnzimmer) könnte zu einer Wende führen.

Im nächsten Teil werfen wir einen Blick darauf, was sich alles bei einer Wendung ändern kann. Um die Wartezeit bis zum nächsten Schreibtipp zu überbrücken, könnt ihr z.B. alle alten Tipps noch einmal lesen. Oder ihr amüsiert euch mit den Spezialepisoden meines Podcast  – da findet ihr weitere Hinweise für AutorInnen, unter anderem von namhaften Kollegen und Kolleginnen.

Wie schreibe ich ein Buch? – Anmeldeschluss naht

Vom 25. bis 27. Januar 2013 findet mein Seminar Wie schreibe ich ein Buch? in der Deluxe-Wochenend-Langfassung statt. Der Anmeldeschluss ist jedoch am 15. Dezember 2012, was bedeutet, dass ihr nur noch knapp 2 Wochen Zeit habt, Hunde-, Kinder- oder Lebenspartnersitter zu finden, in den Schubladen nach euren angefangenen Manuskripten oder in eurem Hirn nach den unverwirklichten Buchideen zu kramen und auch anzumelden!

Alle wichtigen Infos findet ihr hier. Und ich möchte an der Stelle noch mal betonen, dass an diesem Seminar wirklich (fast) jeder teilnehmen kann.

  • Schreibanfänger, die gerade erst mit dem Gedanken spielen, ein Buch zu schreiben, bekommen hier eine realistische Einschätzung, ob das etwas für sie ist und wie sie anfangen können.
  • Schreibbegeisterte, die am ersten eigenen Buch arbeiten und das Handwerkszeug suchen, um es noch einen Tacken besser zu machen und bis zum Ende durchzuhalten.
  • Schreiberfahrene, die bei der Arbeit am (nächsten) Buch steckengeblieben sind und Input oder eine Auffrischung der Grundlagen suchen.
  • Und sogar Schreibende, die ihr Buch bereits fertig haben und sich jetzt fragen, wie kriege ich das Ding veröffentlicht?

Dabei ist es völlig egal, ob ihr Krimi, Fantasy, Liebesromane oder irgendein anderes Genre schreibt – die Grundlagen sind für alle gleich. Ich hatte sogar schon Biographie- und Sachbuch-Autorinnen im Kurs, die davon nach eigenen (unbedrohten :)) Aussagen profitiert haben.

Wir stellen die konkreten Kursschwerpunkte und die Auswahl der Schreibübungen so zusammen, dass allen Anliegen genügt wird.

Also: Sichert euch einen Platz in meinem Kurs, ich bin gespannt, was ihr mitbringt und verspreche euch, dass ihr viel mitnehmen werdet!

Schreibtipp – Szenenaufbau 3: Locker reingleiten

Im vorhergehenden Schreibtipp haben wir uns Hals über Kopf in die Szene hineingestürzt. Das ist vor allem bei Actionszenen eine gute Methode, aber manche Szenen brauchen einen etwas gemächlicheren Einstieg. Eine romantische Szene kann ja nur schwer direkt mit dem Kuss beginnen.

Ein anderer Grund für den langsameren Szenenaufbau kann die Art des Buches sein. Bei historischen Romanen nutzen die AutorInnen gerne die langsamere Methode, um den Leser in die Stimmung und die besondere, dem Leser nicht aus dem Alltag bekannte Szenerie einzugrooven.

„Er stand am Hauptbahnhof“ reicht aus, um bei jedem Leser ein recht klares Bild vor das geistige Auge zu rufen. „Er stand vor dem Badewagen auf dem Markt“ hingegen ist schon deutlich spezieller. Hier kann es sinnvoll sein, zuerst die Szenerie zu beschreiben, also das Viehzeug auf dem mittelalterlichen Markt, das Aussehen der Leute und vor allem, was ein Badewagen nun eigentlich ist (sowas wie ein fahrbarer Badezuber, habe ich mir sagen lassen).

Erkennungmerkmal eines solchen langsamen Szeneeinstiegs ist häufig die „Meteorologeneröffnung“. Wir kennen sie alle: „Der Regen plätscherte auf das Dach“ oder „Es war eine schwüle Nacht“.

Wichtig beim langsamen Einstieg ist es vor allem, es – trotz des durchaus legitimen Strebens danach, der Leserin einen Eindruck der Szenerie und der Stimmung zu vermitteln – nicht zu übertreiben. Wenn man sich erstmal durch 5 Seiten mit Szeneriebeschreibung arbeiten muss, bevor irgendwas passiert, ist das nicht mehr eindrucksvoll und stimmunsfördernd, sondern vor allem langweilig.

Also: Eile mit Weile, aber auf der Stelle joggen gilt nicht!

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Und in rund 2 Wochen endet der Anmeldeschluss meines Seminars „Wie schreibe ich ein Buch?“ im Januar 2013. Wer also immer schon mal einen Roman schreiben wollte oder gerade an einem sitzt und nicht weiterkommt – nicht mehr lange zögern, anmelden! 🙂

Schreibtipp – Szenenaufbau 2: Volle Kanne

Wie beginnt man eine Szene, wie steigt man ein? In diesem Schreibtipp geht es erst einmal um den schnellen, dreckigen Einstieg, um das Medias in Res, zu Deutsch: Mitten in die Sache.

Hierbei ist die Szene bereits in vollem Gange, wenn der Leser dazukommt. Es passieren Dinge, ohne dass der Leser so genau weiß, warum, wer beteiligt ist oder wo wir uns befinden. Das sind Dinge, die ihm erst im Nachhinein vermittelt werden. Bei meinem neuen Roman (Die Rose der Unsterblichkeit 1: Schwarze Perle) habe ich genau diese Einstiegsart für praktisch alle Szenen gewählt, weil ich einen schnellen Erzähltakt anschlagen wollte und sich die rasante Handlung dafür sehr eignet. Beispiele findet ihr auf Seite 9 und Seite 19 der Leseprobe.

Damit ist auch schon angedeutet, wofür sich der Medias-in-Res-Einstieg besonders eignet: schnelle, handlungsintensive Szenen, in denen etwas passiert bzw. schon passiert ist. In einem melancholischen Familien- und Liebesdrama, in dem es vorrangig um das Innenleben der Figuren geht, kann ein solcher Einstieg unpassend kurzatmig wirken.

Wenn ihr den harten Einstieg auf die Spitze treiben wollt (oder perfektionieren, je nach Ansicht), dann möchte ich euch einen Ratschlag meines geschätzten Kollegen Robert Löhr ans Herz legen. Er hat ihn während seines sehr hörenswerten Vortrags „Was man vom Film lernen kann, und was nicht“ gegeben (den ihr übrigens in meinem Podcast Wiesler and Friends nachhören könnt, genauer gesagt hier).

Nachdem ihr die Szene geschrieben habt, streicht vorne ein paar Sätze weg und schaut, ob die Szene immer noch funktioniert. Kurz gesagt geht es darum, so spät wie möglich in die Szene reinzugehen. Dann wirkt sie umso dramatischer, der Leser ist sofort da, wo etwas passiert und muss sich nicht erst zum Geschehen hinlesen.

Im nächsten Schreibtipp geht es dann um den gegenteiligen Ansatz: Das langsame Hineingleiten in eine Szene.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Und weil der Papa neue Stiefel braucht, hier der mittlerweile schon liebgewonnene Hinweis auf mein Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“ im Januar 2013.

Schreibtipp – Szenenaufbau 1: Weil, ist wichtig

„Watt is enne Tzeeen? Da stelle ma uns ma janz dumm …“

Eine Szene definiere ich als „Sinneinheit in fortlaufender Zeit und gleichbleibendem Ort“. Das bedeutet, dass die Beschreibung eines Partygesprächs, bei dem zwei Leute über Fußball reden und ein dritter sich dazugesellt, eine Szene ist. Unterhalten sich die beiden Leute über Fußball und einer verlässt den Raum, um in der Küche ein neues Gespräch mit der Gastgeberin zu beginnen, so gilt mir das als neue Szene.

Die erste, grundsätzliche und meiner Meinung nach wichtigste Frage, die man sich bei einer Szene stellen muss, ist: Braucht der Roman diese Szene? Die Gründe dafür, warum eine Szene in einem Roman stattfinden muss, sind vielfältig. Sie kann die Figuren charakterisieren, sie kann den Plot (also die Handlung) vorantreiben, sie kann dem Leser Informationen vermitteln, sie kann Spannungen aufzeigen oder sie kann die Stimmung des Buches untermauern.Sogar als Demonstration, wie toll die Autorin mit der Sprache umgehen kann, kann eine Szene sinnvoll sein.

Wenn aber eine Szene keine einzige dieser Aufgaben erfüllt, dann ist sie schlicht überflüssig. Das sind die Momente bei einem Buch, in denen man sich als Leser fragt: „Was will mir der Autor damit sagen?“ Der Leser spürt instinktiv, dass der Roman ohne die Szene genausogut funktioniert, er langweilt sich, steigt aus, legt das Buch im schlimmsten Fall weg.

Ergo: Jede Szene braucht eine Aufgabe!

Im nächsten Schreibtipp spreche ich dann über den Einstieg in die Szene.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Und weil es so schön ist, und euch bestimmt gar nicht nervt, hier der obligarische Hinweis auf mein Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“ im Januar 🙂

 

Schreibtipp – Dialoge 5: Schreibübungen

Wie immer lernt man das Schreiben am besten durch’s Schreiben. So auch bei den Dialogen. Folgende Schreibübungen finde ich sehr lohnenswert, wenn man gezielt an der eigenen Fähigkeit feilen möchte, Dialoge flüssig und realistisch zu verfassen:

1) Tipp, du bist!

Sucht euch einen Partner, mit dem ihr diese Übung zusammen macht (das geht auch hervorragend per E-Mail). Die Aufgabe ist es, einen schriftlichen Dialog zu führen, so, wie er später auch in einem Buch stehen könnte. Also ohne Smileys usw. Das Thema kann frei gewählt werden. Wichtig ist, dass nicht während des Schreibens über das Schreiben diskutiert werden darf. Erst wenn der Dialog beendet ist (oder ihr ein paar Seiten zusammen habt), schaut ihr euch die Sache gemeinsam an und besprecht sie.

In der Ausbaustufe schreibt ihr den Dialog nicht als ihr selbst, sondern entwickelt im Vorfeld eine Figur, aus deren Sicht ihr den Dialog führt.

2) Bäumchen wechsel dich

Schreibt eine Dialogszene zwischen euch und einer eurer Figuren zu einem Thema, das dieser Figur gemäß eurer Konzeption wichtig ist. Setzt euch hierbei ein Zeit- oder Zeilenlimit. Danach schreibt ihr den Dialog erneut, mit dem gleichen Thema, aber diesmal unterhalten sich zwei Figuren miteinander.

Auf diese Weise kann man zum einen einen genaueren Begriff von den eigenen Figuren bekommen, wie sie „ticken“; zum anderen übt es die Fähigkeit, in den verschiedenen Stimmen der Figuren zu schreiben.

Soweit zum Themenblock „Dialoge“. Und im nächsten Schreibtipp machen wir dann die Pandorabüchse der Szenengestaltung auf.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Diese und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

 

Schreibtipp – Dialoge 4: Von der Schwierigkeit, einen Dialog echt klingen zu lassen

„Ein Dialog sollte wie ein echtes Gespräch klingen“, ist eine häufige Forderung, der sich AutorInnen gegenüberstehen. Tatsächlich? Aber gern:

Pizza bestellen – in echt

„Guten Tag … äh … ich hätte gerne einmal die … haben Sie auch Eis?“

„Ja, haben … haben wir.“

„Ja, äh, dann hätte ich gerne … also einmal die … Dreiund … Dreiundzwanzig und … mit Eis, also, äh, das hat keine … ich glaube das hat keine Nummer.“

Was niedergeschrieben grenzdebil wirkt, ist ein normales Gespräch. Wenn man sich selbst oder anderen einmal wirklich zuhört, wird man sich der Masse der Füllwörter oder Fülllaute und unvollendeten Sätzen schnell gewahr. Im Gespräch werden diese jedoch einfach überhört – unser Gehirn ist daran gewöhnt, dass wir uns beim freien Sprechen einen zurechtstammeln und filtert die relevanten Sachen raus.

Diese Filterfunktion greift aber beim Lesen nicht, da wir jedes Wort wahrgenommen. Ein guter geschriebener Dialog muss also so aussehen, wie ein vom Gehirn bereinigtes Gespräch sich anhören würde. Er soll natürlich sein, ist es aber schon per Definition nicht. Ich spreche darum lieber von einem realistisch wirkenden Dialog.

Pizza bestellen – im Buch

„Guten Tag, Ich hätte gerne etwas bestellt. Haben Sie auch Eis?“

„Ja, haben wir.“

„Dann hätte ich gerne einmal die Dreiundzwanzig. Und Eis. Ich sehe gerade, das hat gar keine Nummer?“

So könnte ein realistisch wirkender Dialog aussehen. Selbstverständlich gibt es wenige mögliche Szenen, in denen solche Belanglosigkeiten wirklich die Berechtigung haben, in einer Szene drinzustehen (immerhin sind wir nicht in einem Tarantino-Film, wo das Schwachfug-Geblubber zum Stilmittel erhoben wird, um mal in einem Nebensatz ein bisschen Shitstorm-Potenzial zu entfesseln 😉 Alien 4 hat es in meiner Welt übrigens auch nie gegeben, so wenig wie Highlander 2-4).

Wie macht man ihn realistisch?

Wie ein guter Dialog aussehen kann oder muss, ist immer auch eine Geschmacksfrage. Indirekte Rede („Er sagte dem Verkäufer, dass er eine Dreizunszwanzig wolle und dazu ein Eis“) beispielsweise ist das Gegenteil eines realistischen Dialogs, kann aber ein lohnendes Stilmittel sein.

Was zudem bei der einen Figur unnatürlich und verstiegen wirkt, kann bei einer anderen die „normale“ Redeform sein (siehe dazu auch Teil 3 der Dialogtipps)

Wie erreicht man nun aber, dass etwas realistisch klingt? Die beste Methode, die ich für mich bisher gefunden habe, ist schlichtweg das laute Vorlesen der Dialoge. Besser noch das laute Vorlesen lassen durch eine(n) Dritte(n) oder mit verteilten Rollen. Dann fällt euch sehr schnell auf, wenn etwas hölzern klingt, Sätze zu komplex sind oder die Aussagen nicht zu der Figur passen.

Im nächsten Teil stelle ich euch dann Schreibübungen zum Thema Dialog vor.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Diese und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

Schreibtipp – Dialoge 3: Vier Methoden, um Figuren in einem Dialog wiedererkennbar zu machen

Im zweiten Teil meiner Schreibtipps sprach ich davon, dass jede Figur in einem Dialog eine eigene Stimme haben sollte. Damit meinte ich natürlich nicht, dass ihr Dinge schreiben sollt wie:

„Guten Tag“, sagte er mit hoher Stimme.

„Hallo“, antwortete sie basstief.

Ziel der eigenen Stimme soll sein, dass ihr euch im Idealfall das „sagte er/sagte sie“ sparen könnt, weil der Leser die Figuren auch im nackten Dialog an der Art, wie sie sprechen, erkennen kann. Um das zu erreichen, kann man unter anderem auf die folgenden Methoden zurückgreifen, die auch kombiniert werden können.

1) Satzlänge

Einen sehr offensichtlichen Unterschied zwischen den Figuren kann man über ihre Satzlänge definieren.

„Ich bin in die Garage gegangen. Da stand mein Auto. Ich bin eingestiegen und habe es angemacht. Plötzlich hat der Motor so komisch gerattert.“

„Ich bin in die Garage gegangen, wo mein Auto stand, in das ich eingestiegen bin. Als ich es angemacht habe, hat der Motor so komisch gerattert.“

Dieselbe Aussage, liest sich aber deutlich unterschiedlich, dabei benutzen beide Sprecher den gleichen Wortschatz (siehe unten). In der allgemeinen Wahrnehmung stehen kurze Sätze dabei meist für ein geringeres Bildungsniveau des Sprechers. Für kleinere Kinder passt diese Satzlänge ebenfalls.

2) Wortschatz/Formulierungen

Die Größe und Beschaffenheit des Wortschatzes einer Figur kann ebenfalls hervorragend dazu dienen, sie zu charakterisieren und ihre Stimme eindeutig zu machen. Wie viele Fremdwörter nutzt sie? Wie umständlich drückt sie etwas aus? Benutzt sie den Genitiv? Die richtigen Artikel?

„Ich hätte gerne noch einen Kaffee, wenn es nichts ausmacht. Mit Sahne, bitte. Danke.“

„Wenn es conveniert, wäre ich über die Möglichkeit sehr erfreut, noch einen Kaffee zu genießen. Mit Sahne, bitte. Merci.“

Auch der Grad der Wortschatzbeherrschung kann interessant werden. Wenn eine Figur viele Fremdwörter benutzt, aber immer im falschen Zusammenhang, charakterisiert sie das sehr stark. Ich habe der Figur Simmons aus dem Roman Shelley beispielsweise die Neigung angedichtet, Redewendungen zu massakrieren. „Quietsch-Popo“ statt „Quid pro quo.“ Damit wirkt die Figur ungebildet, aber durch das, was sie sagt, nicht dumm (und es ist für das eine oder andere amüsante Missverständnis gut).

3) Sprachliche Ticks

Wenn man einmal bei sich und bei anderen darauf achtet, fällt schnell auf, dass  Menschen Lieblingswörter oder Fomulierungen haben. Ein Bekannter von mir setzt, wenn er nervös oder verärgert ist, nach jeden Satz „Sag ich mal“, manchmal auch mitten in den Satz:

„Wenn ich in der Disko bin, sag ich mal, und mich macht einer dumm an, dann guck ich einfach böse, sag ich mal. Dann haut der aber ab, sag ich mal.“

Andere beginnen oder beenden Sätze mit einem unmotivierten „Ja“ oder „Nein“,  streuen Füllwörter (jedenfalls, nämlich, Alter, isch schwöre) ein oder relativieren alles (eigentlich, möglicherweise). All das ist gut nutzbar, aber vorsicht: Wenn man es übertreibt, kann es den Leser schnell nerven. Das gilt auch für Sprachfehler (Kirsche/Kirche, Fich/Fisch, Drottel/Trottel, Lispeln, Stottern).

4) Akzente/Dialekte

In Audio- und Videoformaten sind Akzente und Dialekte ein wunderbares Stilmittel. Wenn ich auf der Bühne echte oder erfundene Anekdoten von meiner Mutter vortrage, dann bekommt sie immer einen fetten rheinischen Dialekt. Den kann ich gut und er passt zu dem, was ich meiner Mutter anzudichten pflege. Dabei spricht meine Mutter in Wirklichkeit ein sehr gutes Hochdeutsch und ist zudem aus dem Bergischen.

Schriftlich sind Akzente und Dialekte oft schwierig, weil der Leser wissen muss, wie sie klingen, um sie „im Ohr“ zu haben. Zudem neigt man schnell dazu, sie lautmalerisch wiederzugeben, was das Verständnis der Aussage stören kann:

„Hörens, Puppekopp, isch klatsch dä gleesch änn“

Der mit dem Rheinischen vertraute versteht hier gleich, dass die Androhung einer Ohrfeige gemeint ist. Der gemeine Hamburger wird sich damit eher schwer tun.Zudem sollte man sichergehen, dass man die Mundart auch wirklich beherrscht. Ich habe beispielsweise grad keine Ahnung, ob der oben geformte rheinische Satz wirklich so gesagt würde. Wenn man hier akkurat sein möchte, sollte man wie bei Fremdsprachen jemanden fragen, der sich damit auskennt.

Das rechte Maß ist also auch hier entscheidend. Meist läuft es bei der Abbildung der Dialekte und Akzente weitgehend auf den Wortschatz hinaus. Jemand, der „Kölsch“ sagt, ist ebenso eindeutig zuordnenbar wie „Waterkant“ oder „Semmel“.

Grundsätzliches:

Zum einen muss die Art zu sprechen natürlich zur Figur passen. Ein Hochschulprofessor, der seine Studenten in Asisprech fertig macht, passt nicht so hundertprozentig. Kann man natürlich trotzdem machen, aber dann hat man einen Bruch in der Figur, der sie komisch erscheinen lässt. Wenn das euer Ziel ist, nichts wie ran an die Gossenkiste. Wenn der Professor aber glaubhaft rüberkommen soll, ist das eher nix.

Zum zweiten muss man gerade bei Sprachbesonderheiten vorsichtig sein, es nicht zu übertreiben. Wenn alle irgendwie besonders oder dialektgefärbt reden, erinnert euer Dialog dann schlussendlich eher an einen Witz: „Ein Bayer, ein Sachse und ein Stotterer kommen in eine Bar.“

Weniger ist hier also oft mehr. Meine Daumenregel ist: So wenig wie möglich, aber genug, damit der Leser die Figuren zuordnen kann.

Im nächsten Schreibtipp verrate ich dann, wie man sicherstellt, dass ein Dialog natürlich klingt.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Diese und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

Schreibtipp – Dialoge 2: Eindeutige Stimme

Ist euch auch schon passiert, dass ihr ein Buch lest und plötzlich mitten im Dialog bemerkt, dass ihr keine Ahnung mehr habt, wer da was sagt? Dann habt ihr entweder bereits einen vorweihnachtlichen Glühwein zu viel intus, oder der Autor des Buchs hat beim Dialog geschlampt.

Viel häufiger noch als fehlende Zuordnungen („sagte er/sagte sie“, wir sprachen gestern schon davon) ist daran die fehlende eigene Stimme der Figuren schuld. Ein schönes Negativbeispiel dafür sind die zahlreichen Heftromanserien. Bis auf wenige rühmliche Ausnahmen klingen darin alle Figuren völlig gleich. Egal ob Prof. Dr. Segensreich oder Olga, die Reinigungsfachfrau – sie alle benutzen das gleiche Vokabular, die gleiche Satzstruktur und die gleichen Formulierungen. Und wenn man den Verfasser des Textes trifft, spricht er exakt so wie alle seine Figuren.

Auf diese Weise macht ihr es dem Leser nicht nur schwerer, zu erkennen, wer da spricht, ihr verschenkt auch eine grandiose Möglichkeit der Charakterisierung. Wie man es besser macht, verrate ich euch dann im dritten Schreibtipp.

Alle Schreibtipps findet ihr hier (ja, sind bisher nur zwei, aber ich plane weitere ;))

Dieses und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“