Schreibtipp – Szenenaufbau 5: Wie man sich wendet und dreht …

Im letzten Schreibtipp ging es darum, dass jede Szene eine Wendung haben sollte. Es muss sich also während der Szene etwas ändern, damit die Szene interessant wird und eine Rechtfertigung hat, in der Geschichte oder in dem Roman zu sein.

Was aber muss sich ändern? Vorweg: Nicht jede Szene muss eine gigantische, alles bestimmende Änderung beinhalten. Es geht nicht darum, einen Zickzackkurs abzustecken, bei dem z.B. die Liebe des Protagonist in jeder Szene von der einen zur anderen Frau schwankt. Manche Entwicklungen können sich auch über mehrere Szenen oder den ganzen Roman erstrecken. Wichtig ist dabei nur, dass jede Szene eine erkennbare Änderung mit sich bringt.

Was kann sich aber nun wenden?

Einstellungen/Gefühle der Figur(en)

Wenn Karl am Anfang der Szene der Meinung ist, Rita ist eine blöde Kuh und am Ende erkennt, dass sie gar nicht so übel ist; oder wenn er anfangs depressiv ist und nachher ein wenig Hoffnung schöpft; oder er vorhatte, seinen Job zu kündigen und es dann doch nicht tut.

Handlung/Ereignisse/Umstände

Wenn alles danach aussieht, dass Karl beim Vorstellungsgespräch so richtig wird punkten können, und sich dann in der U-Bahn Kaffee übers Hemd kippt; oder wenn er seiner Jugendliebe gesteht, dass er sie damals chancenlos geliebt hat, und sie ihn daraufhin verführt; oder gnadenlos abblitzen lässt; oder wenn der Drucker kaputtgeht; oder es plötzlich anfängt zu regnen.

Stimmung der Erzählung

Wenn bei dem vermeintlich harmlosen alten Haus die Beschreibungen immer düsterer werden und Unheil androhen; oder der bisher amüsante Tonfall des Erzählers immer zynischer wird.

Man hat also eine Menge Möglichkeiten, eine Szene zu „drehen“ und oft reichen kleine Schritte. Aber wenn in einer Szene nichts passiert, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Eine Wendung einbauen oder die Szene gnadenlos streichen.

Eine Wendung, die routinierte Leser meiner Schreibtipps nicht überrascht, ist der erneute Hinweis auf die bisherigen Schreibtipps. Und auch die Erinnerung daran, dass ihr nur noch eine gute Woche Zeit habt, euch für mein Wochenendseminar „Wie schreibe ich ein Buch?“ anzumelden, würde keine ganze Szene tragen. Ist aber trotzdem wahr.

Schreibtipp – Szenenaufbau 4: Wende eine Wendung hass, is gut

Was muss eine Szene haben, damit sie den Leser packt? Neben den offensichtlichen Dingen wie spannende, glaubhafte Figuren, gute Dialoge (wir sprechen in vorhergehenden Schreibtipps darüber) und eine spannende Handlung, muss eine Szene vor allem förderlich für die Geschichte sein. Sie muss die Geschichte also weiterbringen und dafür Sorgen, dass sich Dinge ändern. Und genau da versteht man unter einer sogenannten „Wendung“. Wenn eine Szene keine Wendung hat, ist sie langweilig und – fast noch schlimmer – überflüssig.

„Was meint er damit nun wieder?“, höre ich euch fragen. Ich sehe, es muss ein Beispiel her.

Stellt euch folgende Szene vor: Ein Ehepaar kommt zum sonntäglichen Frühstück zusammen. Alle sind schlecht drauf, maulen sich ein bisschen an, frühstücken vor sich hin, räumen ab und gehen wieder auseinander, immer noch schlecht gelaunt. Klingt spannend, was? Genau, eben nicht. Weil sich in der Szene, selbst wenn ein Frühstück „passiert“, nichts verändert. Es fehlt die Wendung.

Die gleiche Szene wäre gleich viel spannender (und müsste vor allem nicht von der Lektorin ersatzlos getrichen werden), wenn z.B. einer so über das allgemeine Gegrummel lachen muss, dass sich die Laune bessert. Oder sich die Leute so richtig an die Kehle gehen. Oder auch ein äußerer Faktor (Postbote mit verfänglichem Liebesbrief, LKW mitten im Wohnzimmer) könnte zu einer Wende führen.

Im nächsten Teil werfen wir einen Blick darauf, was sich alles bei einer Wendung ändern kann. Um die Wartezeit bis zum nächsten Schreibtipp zu überbrücken, könnt ihr z.B. alle alten Tipps noch einmal lesen. Oder ihr amüsiert euch mit den Spezialepisoden meines Podcast  – da findet ihr weitere Hinweise für AutorInnen, unter anderem von namhaften Kollegen und Kolleginnen.

Schreibtipp – Szenenaufbau 3: Locker reingleiten

Im vorhergehenden Schreibtipp haben wir uns Hals über Kopf in die Szene hineingestürzt. Das ist vor allem bei Actionszenen eine gute Methode, aber manche Szenen brauchen einen etwas gemächlicheren Einstieg. Eine romantische Szene kann ja nur schwer direkt mit dem Kuss beginnen.

Ein anderer Grund für den langsameren Szenenaufbau kann die Art des Buches sein. Bei historischen Romanen nutzen die AutorInnen gerne die langsamere Methode, um den Leser in die Stimmung und die besondere, dem Leser nicht aus dem Alltag bekannte Szenerie einzugrooven.

„Er stand am Hauptbahnhof“ reicht aus, um bei jedem Leser ein recht klares Bild vor das geistige Auge zu rufen. „Er stand vor dem Badewagen auf dem Markt“ hingegen ist schon deutlich spezieller. Hier kann es sinnvoll sein, zuerst die Szenerie zu beschreiben, also das Viehzeug auf dem mittelalterlichen Markt, das Aussehen der Leute und vor allem, was ein Badewagen nun eigentlich ist (sowas wie ein fahrbarer Badezuber, habe ich mir sagen lassen).

Erkennungmerkmal eines solchen langsamen Szeneeinstiegs ist häufig die „Meteorologeneröffnung“. Wir kennen sie alle: „Der Regen plätscherte auf das Dach“ oder „Es war eine schwüle Nacht“.

Wichtig beim langsamen Einstieg ist es vor allem, es – trotz des durchaus legitimen Strebens danach, der Leserin einen Eindruck der Szenerie und der Stimmung zu vermitteln – nicht zu übertreiben. Wenn man sich erstmal durch 5 Seiten mit Szeneriebeschreibung arbeiten muss, bevor irgendwas passiert, ist das nicht mehr eindrucksvoll und stimmunsfördernd, sondern vor allem langweilig.

Also: Eile mit Weile, aber auf der Stelle joggen gilt nicht!

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Und in rund 2 Wochen endet der Anmeldeschluss meines Seminars „Wie schreibe ich ein Buch?“ im Januar 2013. Wer also immer schon mal einen Roman schreiben wollte oder gerade an einem sitzt und nicht weiterkommt – nicht mehr lange zögern, anmelden! 🙂

Schreibtipp – Szenenaufbau 2: Volle Kanne

Wie beginnt man eine Szene, wie steigt man ein? In diesem Schreibtipp geht es erst einmal um den schnellen, dreckigen Einstieg, um das Medias in Res, zu Deutsch: Mitten in die Sache.

Hierbei ist die Szene bereits in vollem Gange, wenn der Leser dazukommt. Es passieren Dinge, ohne dass der Leser so genau weiß, warum, wer beteiligt ist oder wo wir uns befinden. Das sind Dinge, die ihm erst im Nachhinein vermittelt werden. Bei meinem neuen Roman (Die Rose der Unsterblichkeit 1: Schwarze Perle) habe ich genau diese Einstiegsart für praktisch alle Szenen gewählt, weil ich einen schnellen Erzähltakt anschlagen wollte und sich die rasante Handlung dafür sehr eignet. Beispiele findet ihr auf Seite 9 und Seite 19 der Leseprobe.

Damit ist auch schon angedeutet, wofür sich der Medias-in-Res-Einstieg besonders eignet: schnelle, handlungsintensive Szenen, in denen etwas passiert bzw. schon passiert ist. In einem melancholischen Familien- und Liebesdrama, in dem es vorrangig um das Innenleben der Figuren geht, kann ein solcher Einstieg unpassend kurzatmig wirken.

Wenn ihr den harten Einstieg auf die Spitze treiben wollt (oder perfektionieren, je nach Ansicht), dann möchte ich euch einen Ratschlag meines geschätzten Kollegen Robert Löhr ans Herz legen. Er hat ihn während seines sehr hörenswerten Vortrags „Was man vom Film lernen kann, und was nicht“ gegeben (den ihr übrigens in meinem Podcast Wiesler and Friends nachhören könnt, genauer gesagt hier).

Nachdem ihr die Szene geschrieben habt, streicht vorne ein paar Sätze weg und schaut, ob die Szene immer noch funktioniert. Kurz gesagt geht es darum, so spät wie möglich in die Szene reinzugehen. Dann wirkt sie umso dramatischer, der Leser ist sofort da, wo etwas passiert und muss sich nicht erst zum Geschehen hinlesen.

Im nächsten Schreibtipp geht es dann um den gegenteiligen Ansatz: Das langsame Hineingleiten in eine Szene.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Und weil der Papa neue Stiefel braucht, hier der mittlerweile schon liebgewonnene Hinweis auf mein Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“ im Januar 2013.

Schreibtipp – Szenenaufbau 1: Weil, ist wichtig

„Watt is enne Tzeeen? Da stelle ma uns ma janz dumm …“

Eine Szene definiere ich als „Sinneinheit in fortlaufender Zeit und gleichbleibendem Ort“. Das bedeutet, dass die Beschreibung eines Partygesprächs, bei dem zwei Leute über Fußball reden und ein dritter sich dazugesellt, eine Szene ist. Unterhalten sich die beiden Leute über Fußball und einer verlässt den Raum, um in der Küche ein neues Gespräch mit der Gastgeberin zu beginnen, so gilt mir das als neue Szene.

Die erste, grundsätzliche und meiner Meinung nach wichtigste Frage, die man sich bei einer Szene stellen muss, ist: Braucht der Roman diese Szene? Die Gründe dafür, warum eine Szene in einem Roman stattfinden muss, sind vielfältig. Sie kann die Figuren charakterisieren, sie kann den Plot (also die Handlung) vorantreiben, sie kann dem Leser Informationen vermitteln, sie kann Spannungen aufzeigen oder sie kann die Stimmung des Buches untermauern.Sogar als Demonstration, wie toll die Autorin mit der Sprache umgehen kann, kann eine Szene sinnvoll sein.

Wenn aber eine Szene keine einzige dieser Aufgaben erfüllt, dann ist sie schlicht überflüssig. Das sind die Momente bei einem Buch, in denen man sich als Leser fragt: „Was will mir der Autor damit sagen?“ Der Leser spürt instinktiv, dass der Roman ohne die Szene genausogut funktioniert, er langweilt sich, steigt aus, legt das Buch im schlimmsten Fall weg.

Ergo: Jede Szene braucht eine Aufgabe!

Im nächsten Schreibtipp spreche ich dann über den Einstieg in die Szene.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Und weil es so schön ist, und euch bestimmt gar nicht nervt, hier der obligarische Hinweis auf mein Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“ im Januar 🙂